Am Sonntag, kurz vor 20:00 Uhr, veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung eine ausführliche Berichterstattung zu einer Recherche, an der sie mit anderen Journalisten ein Jahr lang gesessen hat. Die Panama Leaks, oder auch Panama Papers. Ich nutze Panama Leaks, da ich bei Panama Papers regelmäßig ein »Pampers« im Kopf mitschwingen habe.
Der Leak stellt seine Betrachter, all jene die nicht an seiner Verbreitung mitwirkten, vor eine gewisse Schwierigkeit. Sie müssen sich entscheiden, ob die gezeichneten Muster als Beweise ausreichen oder ob sie für sich stehen und man es bei der reinen Kenntnisnahme belässt.
Der journalistische Part
Zunächst fällt auf, dass die Berichterstatter sich im Großen und Ganzen entschieden haben. Ihre Recherche führt zu einem Skandal. Man kann es bei der Süddeutschen beispielsweise nicht dabei belassen, dass ein russischer Musiker Millionen verschiebt. Da er ein Freund von Vladimir Putin ist, muss unbedingt der Link zu Putin herausgearbeitet werden. Und es artet in Suggestion aus. Gleiches gilt für isländischen Politiker. Sie haben scheinbar ihre Steuern bezahlt, aber ihre Interessen nicht angemeldet. Die rechtliche Frage scheint sich aufgrund der bisherigen Informationslage darauf zu konzentrieren, doch die Süddeutsche erwähnt immer wieder die »Millionen« und vergisst dabei, dass die Entscheidungen der Betreffenden, in Bezug auf die Banken, über Milliarden gingen. Das eine rechtfertigt nicht das andere, aber die Relation wird in der Berichterstattung nicht gewahrt.
Der Darstellung in Sachen Putin ist bei der Süddeutschen insofern interessant, als dass hier die handwerklichen Fehler der Journalisten sehr gut sichtbar werden. Es gab seitens Reuters bereits Recherchen zum Thema »Comrade Capitalism«, bei denen das System, wie man in Russland arbeitet und wie die Korruption dort funktioniert, sehr gut sichtbar wurde. Doch die Süddeutsche sah sich nicht in der Lage diese Informationen zu nutzen und sie mit ihren eigenen Recherchen zu einer wesentlich glaubwürdigeren Geschichte zu verarbeiten. Man beschränkte sich auf seine eigenen Informationen und verschenkt damit die Möglichkeit die eigenen Suggestionen glaubwürdig erscheinen zu lassen. Der Name Putin taucht nicht auf, eine Information, die der Guardian an den Anfang seines Artikel stellte. Wichtig ist demnach die gesamte Informationslage. Wie funktioniert das System und wo deutet es hin.
Die Frage ist, warum die Vorgehensweise bei der Süddeutschen so auf sich selbst fixiert war. Warum der notwendige Schritt zurück, für das Schaffen eines großen Bildes, nicht gemacht wurde. Es ist vermutlich recht profan. Beim Betrachten der Art und Weise, wie der Leak dargestellt wird, drängt sich der Verdacht auf, dass es um reines Marketing geht.
Nebst einem Buch über die Veröffentlichung des Leaks gibt es ein Making-of-Video, dass von Anfang an gedreht wurde und ein Großteil der Berichterstattung dreht sich um den Leak selber. Man redet das Ganze groß und glorifiziert seine eigenes Schaffen. Darunter leidet die Qualität der Arbeit in der Form, als dass ein realistisches Analysieren kaum mehr möglich scheint und das Genre eher der Boulevard ist.
Das ist alles nicht schlimm. Denn die fehlende journalistische Qualität, im Sinne des großen Bildes, wird demnächst von den Think Tanks geliefert. Man wird dafür dann Studien und Bücher lesen, nicht aber die Zeitung.
Die Kritiker
Die Einleitung, die sich mit den grundsätzlichen Fehlern der Süddeutschen befasst, dient auch dazu zu erklären, warum man es den Kritikern besonders leicht machte, die momentan überall aus ihren Social Media Accounts steigen. Die Kritik beschränkt sich weitestgehend auf folgende Punkte:
1. Es wird nicht über US-Unternehmen und Personen berichtet
2. Die Berichte verfolgen ein klares Ziel westlicher Medien gegen XYZ (meist wird Russland genannt).
3. Das ICIJ wird von US-Stiftungen unterstützt die zweifelhaft seien.
4. Die Journalisten loben sich selbst über den Klee.
5. Alles schon bekannt.
6. Es bleibt ein mulmiges Gefühl.
7. Die CIA fährt eine Kampagne
Eigentlich reicht es, diesen Anwürfen eine Frage entgegenzustellen:
Was ändert das an dem Leak?
Es ist eine sonderbare Herangehensweise, von einem Leak bei einer Firma zu erwarten, dass alle Vorgänge auf dieser Welt gleichermaßen beleuchtet werden. Gleiches gilt für den Anfang der Geschichten, die extrahiert wurden. Natürlich wird das alles inszeniert und nicht gleich alles Wissen an einem Tag veröffentlicht. Dieser Anspruch, diese Kritik, wird aber durchaus von dem Geplärr derer befördert, die den Leak ans Tageslicht brachten. Sie protzen regelrecht mit der Größe ihres… Datenmaterials. Die Größe ist ein wesentlicher Teil der Berichterstattung.
Ob die Veröffentlichungen eine generelle Stoßrichtung haben und Dinge verschwiegen werden, wie es momentan mancher behauptet, wird man erst später wissen können. Dass das ICIJ von der Soros- und Fordstiftung mitfinanziert wird, sagt jedenfalls erst einmal nichts aus. Denn konsequent betrachtet, sind auch diese Stiftungen ohne den Beweis des Gegenteils so unschuldig wie Vladimir Putin.
Anders gesagt, jeder spult sein übliches Programm ab. Der eine hat diffuse Gefühle, der andere findet das alles übertrieben und so weiter.
Ein kapitaler Fehler bei der Präsentation der Leaks scheint auch die Verwendung des Begriffes Offshore. Denn Offshore ist per se alles, was außerhalb des eigenen Landes stattfindet. Globalisierung ist Offshore. Und selbst das Streben in Steueroasen ist per se kein Verbrechen, wie sich aus der feinen aber relevanten Unterscheidung der Begriffe »Steuervermeidung« und »Steuerhinterziehung« ergibt.
Wenn es für die Zivilgesellschaft momentan ein Thema gibt, mit dem sich auseinandersetzen müsste, anhand dieser Leaks, dann wäre das die Frage, welche Form der Steuervermeidung unerwünscht ist und warum diese dennoch nicht gesetzlich untersagt wurde.
Um es mit der Logik der Kritiker an dem Leak zu formulieren: Wem nützt es, dass sich die Kritiker dieser Diskussion verweigern? Warum verteidigen sie russische und afrikanische Offshore-Geschäfte in Steueroasen? Wieso ist es ihnen wichtiger die Journalisten zu kritisieren statt die Geldverschieber?
Man könnte da ganz mulmige Gefühle bekommen.