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Denktagebuch

Über das Hadern mit der Welt...

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Bücher

Putins Welt von Katja Gloger

19. Januar 2016 By mh120480 Leave a Comment

Spricht man heute über das Jahr 2008, geht es meist um die Finanzkrise. Allen ist sie in Erinnerung geblieben. Schemenhafter wird es, wenn man fragt was in diesem Jahr noch passiert ist. Der Krieg zwischen Georgien und Russland taucht dann nur noch vereinzelt auf. Richtig still wird es, wenn zwei weitere am Krieg beteiligte Regionen, Südossetien und Abchasien, namentlich in den Raum fallen.

Ähnlich unbekannt wie die Republik Srpska oder vor kurzem noch die Volksrepublik Donezk, sind diese kleine Gebilde mittlerweile zu einem validen Mittel geostrategischer Überlegungen geworden. Es ist Russland, dass mit seiner Förderung und Finanzierung des Separatismus in diesen Gebieten seine Vormachterstellung und seinen Einfluss zu erhalten versucht.

Als Kopf dieses strategisch nicht unklugen Vorgehens kann Vladimir Putin gelten. Ein Mann, der in vielen Köpfen für Gesamtrussland steht und über den es ausreichend viel biographisches und analytisches zu lesen gibt. Allerdings, soviel lehrt auch die Erfahrung, sind nicht alle die da schreiben vom Kreml ganz unbefleckt. Sei es, dass da Lehrgänge auf kleinen Inseln besetzt werden, die Meinungen querfinanzieren, oder eine generelle Nähe herrscht, die zu Freundschaftsdiensten führt. Mein Freund, so das russische Denken, denkt wie ich und ist dadurch immer auch ein Experte. Kein Wunder also, dass Geld ebenso fluide ist wie die Wege der Meinungsbildung.

Aus all diesen Gründen war ich am Wägen, wer hier in diesem Blog eine Plattform bekommt und wer nicht. Wessen Werk über Putin man besprechen könnte. Welches der Verankerung einer weitergehenden Betrachtung taugt. Entschieden habe ich mich für Katja Gloger und „Putins Welt“. Dazwischen kam Hubert Seipel als Negativbeispiel.

Katja Gloger - Putins Welt

Angela Merkel wird der Satz zugeschrieben, dass Putin in einer anderen Welt lebe. Kolportiert wurde dieser Satz aus Washington, nachdem Merkel mit Barack Obama telefonierte. Sie stritt diesen Satz bisher nicht ab, erklärte ihn gar in der FAZ. Für all jene, die nicht an den Ränkespielen der Politik dieser Welt teilnehmen, ist es im Regelfall schwierig, solche Aussagen einzuschätzen. Doch in diesem Fall steht dem nicht viel im Wege. Wer diese Welt ergründen möchte, muss sich nur die deutschsprachigen Angebote russischer Medien betrachten. Es offenbart sich eine gänzlich andere Sichtweise auf die Realität. Das Bemerkenswerte an dieser alternativen Realität ist, dass sie sich explizit auch als solche sieht. Ein alternatives Erklärungsangebot an die Welt. Offen für jeden, der es hören will. Gespickt mit erstaunlich vielen Rechtsradikalen.

Aus dieser Perspektive heraus ist der Titel des Buches clever gewählt, denn es stellt sich nicht nur die Frage, in welcher Welt Putin denn lebt, sondern ob er auch in der Welt lebt, die in den russischen Staatsmedien gezeichnet wird. Die traurige Wahrheit ist, dass auch Katja Gloger dieses Geheimnis nicht lüften kann. Sie widersteht aber der Versuchung, der Beobachter gerne anheimfallen, ob des publizierten und argumentativen Irrsinns einen Irren zu vermuten. Dem Buch liegt somit die Annahme eines rationalen Protagonisten zu Grunde, der sich der ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu bedienen weiß.

Dieser rationale Protagonist durchläuft in seinem Leben als Präsident verschiedene Phasen, die ihn zunächst sehr nah zu den westlichen Partnern bringen. Ohne große Resonanz dabei zu erzeugen, hält diese Nähe nicht lange. Sie wird zu einer Enttäuschung, die im Abwenden von diesem Westen endet. Das Bildnis ist auch ohne Buch nachvollziehbar und zeichnet sich, wer es aktuell mag, in dem Interview, das die BILD mit dem russischen Präsidenten führte. Das heißt, er selbst kommuniziert es immer wieder und betont dabei, seine immer guten Absichten. Putin kommt zu Wort.

Die Kunst von Katja Gloger ist, innerhalb dieses Bildnisses die Bruchstellen aufzuzeigen, ihre Dynamik zu beschreiben und sie dem realen Handeln gegenüberzustellen. Dies ist besonders im zweiten Teil des Buches spürbar, wenn aus der Beschreibung von Putins Werdegang sein Verhalten während des nicht erklärten Krieges mit der Ukraine besprochen wird. Man ist dann plötzlich ganz nah an der oben gezeichneten Frage dran und schwankt als Leser hin und her. Zumindest dann, wenn man ein nicht gefestigtes Meinungsbild hat.

Der Aspekt des Schwankens durchzieht das ganze Buch. Doch wechselt dieses Schwanken irgendwann von Putin, der sich verfestigt, über zur Autorin, die immer weniger weiter weiß. Denn man muss sich irgendwann fragen, ob es da wirklich nur um reinen Machterhalt geht, oder ob die Probleme tiefer liegen. Natürlich liegen sie tiefer, aber um Aspekte wie Korruption und Aufrechterhaltung der Macht aufgrund von eigener Schuld zu behandeln, bräuchte man ausschweifende Beweise. Die liegen kaum vor. Es gibt Aussagen, es existieren Berichte und Vermutungen. Man weiß um das großkotzige Auftreten diverser mafiöser Gestalten gegenüber den Behörden. Doch ist Hörensagen eher selten gerichtsfest und so spart sich Katja Gloger diesen Part weitestgehend aus.

Das ist schade, aber konsequent bei dem Anspruch, sich nicht in die Ecke der Verschwörungstheoretiker zu stellen. Vor allem aber zeigt es etwas sehr Erstaunliches auf: das System Putin ist kein Gutes. Es gefährdet mit seinem außenpolitischen Handeln auch die Integrität Deutschlands. Nicht weil uns Putin seine grünen Männchen aus Mordor schickt, sondern weil er hierzulande Lobbying betreiben lässt.

In diesem Blog läuft das Thema immer wieder mal als Infokrieg und kommt in Putins Welt leider viel zu kurz. Es ist nur die Oberfläche, die da angekratzt wird. Gleichwohl wird das Problem sichtlich.

„Putins Welt“, meine Damen und Herren. Am Ende steht die Frage, was man dieser russischen Verfestigung entgegensetzen könnte. In sehr moderater Weise, bleibt das Schwanken von Katja Gloger erhalten. Da ist sie wohl sehr nah bei Merkel und ebenso weit weg von einer Lösung.

Erschienen im Berlin Verlag.

(Ich habe vom Verlag ein Rezensionsexemplar erhalten.)

Filed Under: Bücher Tagged With: katja gloger, putins welt, rezension

Saskia Sassen grenzt sich aus

16. Oktober 2015 By mh120480 Leave a Comment

Saskia Sassen ist eine mir durchaus angenehme Autorin, die es schon immer vermochte, die Welt sehr genau zu skizzieren. Daher griff ich zu, als ich letztens in einer weniger bekannten berliner Buchhandlung dieses Werk vor mir liegen sah. Überfallen von einer Ahnung, las ich mich durch und es kam, wie es kommen musste.

Saskia Sassen - Ausgrenzungen

Vor Ihnen liegt das zweite Buch in Folge, bei dem ich mir am Ende dachte: Hä?

Saskia Sassen ist eine Institution, gerade bei den Linken. Und immer wenn so eine Institution etwas veröffentlicht, sind alle ganz begeistert. Wer auf twitter verfolgt hat, wie ich dieses Buch las, wird vernommen haben, dass ich recht viel daraus per Bild verbreitete. Es gab also auch viel zitierfähiges Material und das ist vor allem deswegen zitierfähig, weil es die Weltwahrnehmung der Menschen bestätigt. Man hat es ja schon immer gewusst und gerade dann, wenn es um Nestlé geht, sind die Menschen besonders reaktiv.

Das heißt, man kann dieses Buch lesen und viel darin finden, dem man zustimmen wird. Trotzdem hält sich meine Begeisterung in Grenzen, denn nahezu alle aufgezählten Geschichten und Statistiken waren in der einen oder anderen Form schon bekannt. Sie kommen hier nur noch einmal gebündelt und kompakt daher. Nebst einer ewig langen Einleitung, denn Sassen braucht über 40 Seiten um zur Sache zu kommen. Meint, den Modus zu verlassen, in dem sie der Leserin erklärt, was sie eigentlich vor hat. Es mündet dann in einer ebenfalls ca. 40 Seiten langen Aufzählung von Umweltsünden, ehe eine nochmalige Zusammenfasung des Buches den Leser enden lässt.

Die Aufzählungen verfehlen ihre Wirkung nicht, sie lassen die Welt dystopisch erscheinen. Überall Umweltsünden, Armut, Korruption und Kapitalakkumulation. Man wusste es ja bereits und sucht verzweifelt nach der These. Denn die angekündigte These „Ausgrenzungen“, soll durch die Aufzählung erst sichtbar werden. Notwendig sei dies, so Sassen, weil wir neuer Wörter bedürfen. Kapitalismus zieht nicht mehr. Akademischer formuliert: Der Kapitalismus und alles was wir an Worten dafür kennen, ist eine ungenügende Beschreibung.

Ausgrenzung soll es nun sein. Nur begründet Sassen das nicht. Es gibt nicht einmal eine klare Definition oder einen Versuch, dieses Wort durchzusetzen. Es wird nur immer wieder erwähnt und behauptet, das sei neu. Nur was, so frage ich mich beim Lesen, diskutieren wir denn hier in Deutschland seit Einführung der sozialen Marktwirtschaft, wenn nicht das Thema Ausgrenzungen? Klar, wir nennen das dann gesellschaftliche Teilhabe und kämpfen eben dafür. Es ist das gleiche in Grün und Sassen hat an diesem Punkt weder Neues hinzuzufügen noch ist sie hilfreich. Gleichwohl, viele der Themen die sie anspricht dürfte die Menschen in den USA wesentlich mehr pressieren als die Leser hierzulande.  Fracking ist bei uns beispielsweise noch kein „aktives“ Thema.

Die Darstellung der Probleme in Form einer Aufzählung lässt die Auseinandersetzung mit dem System vermissen. Es geht ihr nur um das Wort an sich und das ist höchst seltsam, da sie für das Wort dann nicht kämpft. Man weiß nicht so recht, was die Autorin eigentlich treibt, was sie will und ob ihr zwei bis drei Jahre mehr an dem Thema nicht gut getan hätten. Schöne Charts und Grafiken können darüber nicht hinwegtäuschen.

Viele Leserinnen werden mit dem Buch dennoch nicht unzufrieden sein. Die Methode reicht aus um das politische Gefühl und die Absicht entgegen der Welt zu beflügeln, zu bestätigen. Wer nach Selbstversicherung sucht, für den ist das Buch ideal. Das ist nur leider eher esoterisch und absolut nicht politisch, geschweige denn ernsthaft analytisch. Vielmehr eine Beimischung zum Lifestyle, gerade urbaner Gefilde. Dass Buchverlage zu solchen Werken neigen, konnte man zuletzt auf der Frankfurter Buchmesse erfahren.

Saskia Sassen, meine Damen und Herren. Wiederholung ist kein Wert an sich.

Erschienen bei S. Fischer Wissenschaft. Übersetzt von Sebastian Vogel.

Filed Under: Bücher Tagged With: ausgrenzungen, rezension, saskia sassen

Baberowskis Räume der Gewalt als schleichende Enthemmung

7. Oktober 2015 By mh120480 2 Comments

Jörg Baberowski versuche ich seit jeher zu vermeiden. Er ist mir einfach zu platt. Allein schon deswegen ist er für mich auch weniger ein Rechtsintellektueller als vielmehr ein Provokateuer. Als C. mich in einem Gespräch auf dieses Interview hinwies und ich anschließend diese Einlassungen zum Thema Flüchtlinge las, dämmerte mir jedoch etwas. Die diffusen Ängste zum Thema Flüchtlinge wurden mittlerweile mit starken Argumenten widerlegt. Und dann stand ich im Dussmann und las die Rückseite des Einbands. Man will das alles eigentlich nicht lesen, aber zugleich findet im Bürgertum eine Veränderung statt der man sich widmen muss. Dazu gehört auch die veränderte Wahrnehmung des Themas Gewalt.

Jörg Baberowski - Räume der Gewalt

Kurz gesagt: Hä?

Aber damit komme ich wahrscheinlich nicht durch.

Die Eingangs skizzierte Ahnung, die mich beim Lesen des Einbands überkam, bezog sich auf Hannah Arendt. Möchte da einer ihren Totalitarismusbegriff entwerten?

Jede Erklärung der Gewalt sehnt ihr Ende herbei. Das Leben soll schöner werden und die Gewalt aus ihm verschwinden. Doch die Gewalt war und ist eine für jedermann zugängliche und deshalb attraktive Handlungsoption – und kein »Betriebsunfall« oder »Extremfall«. Wer wirklich wissen will, was geschieht, wenn Menschen einander Gewalt antun, muss eine Antwort auf die Frage finden, warum Menschen Schwellen überschreiten und andere verletzen oder töten. Nach seinem preisgekrönten Buch über das stalinistische Gewaltsystem legt der bekannte Historiker Jörg Baberowski nun eine nicht minder beeindruckende Studie über den sozialen, kulturellen und wissenschaftlichen Umgang mit Gewalt vor.

Die Deutung des Begriffes „Totalitarismus“ steht seit längerem unter Beschuss, nicht zuletzt durch die vermeintlich „Guten“, wie Harald Welzer, der mittlerweile in allem etwas Totalitäres zu sehen scheint. Mein Sensorium dafür ist recht ausgeprägt, denn wenn die „totale Vernichtung“ zu einer Alltagsinterpretation wird, dann nistet sich die Angst auch im klarsten Kopfe ein. In diesem Sinne ist es auch nicht unwichtig, zu sehen, wen Baberowski mit seinen Thesen erreicht und wie sich die Weltwahrnehmung dieser Klientel, nicht zuletzt auch dadurch, immer weiter verschiebt. Es sind die „nach Rechts rückenden“ Konservativen, deren Intellektueller er nicht zu sein behauptet.

Das Buch selbst ist jedoch zuvorderst eine Unart. Es besteht zur Hälfte aus Zitaten. Genaugenommen ist das Zitieren so stark ausgeprägt, dass man teilweise Schwierigkeiten hat zwischen dem Zitierten und der Meiunung des Autors zu unterscheiden. Denn auch wenn Baberowski fast alles irgendwie auch verwirft, macht er sich dabei doch erstaunlich viel zu eigen. Dabei hilft ihm das Zitieren, denn es ist wie bei einer Diskussion in Internetforen. Genommen wird, was in die eigene Argumentation passt oder der eigenen Interpretation als Abgrenzung dient. Man kann kaum übersehen, dass Baberowski dazu neigt die großen Namen heranzuziehen, die am Ende alle doof sind. Zwei Sachen scheinen dem Autor besonders wichtig. Verständnis für seinen Vater, der als Soldat in der Wehrmacht diente, und der Widerspruch gegenüber Hannah Arendt. Der fängt auf Seite 21 an und wird am Ende mit anderer Schlagrichtung wiederholt.

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Das ganze Buch, „die Studie“, lässt sich auf zwei Sätze zusammenfalten:

Gewalt gehört zum Menschen und es ist die normative Kraft der Gesellschaft, die Gewalt verhindert. Damit diese normative Kraft Gewalt verhindern kann, muss sie die Freiheit des Individuums beschränken und bedarf der Vorkehrungen des Staates, mit Gewalt Gewalt zu verhindern.

Knackiger formuliert: Es bedarf eines innergesellschaftlichen Kalten Krieges, damit alle friedlich bleiben. Baberwoski fordert im Kern einen starken Staat, ohne in der Lage zu sein diese Forderung auszuformulieren. Denn zugleich will er eigentlich die Freiheit für alle und empfindet diesen Staat als repressiv für das Individuum. Nur müsse man sich aber auch mit der normativen Gewalt abfinden, ohne sie zu wollen. In keinsterweise haben jedoch jene auch nur ansatzweise recht, die in Kommunikation und gesellschaftlichen Strukturen eine strukturelle Gewalt vermuten. Also die Gewalt, die als normative Gewalt eine ganz andere Gewalt sein soll, als als strukturelle Gewalt.

Kurz gesagt: Hä?

Als ich im Dussmann stand und die Rückseite des Einbands las, stand eine werte Dame neben mir und meinte: „Das ist nicht die Aufgabe eines Historikers.“

Recht hatte sie und Baberowski weiß das wohl auch, denn er verlässt nie den Pfad der Geschichtserzählung. Weder stellt er eine politische Theorie, der sich bspw. Hannah Arendt verschrieb, in Gänze dar, noch steuert er eine Erkenntnis bei. Stattdessen wird der Gewaltbegriff als weniger schlimm hergeleitet. Ein bisschen Gewalt ist schon ok, wenn auch diffus definiert und widersprüchlich begründet, müssen wir uns halt mit der Gewalt mal abfinden lernen. Die großen Denker der Vergangenheit haben das alles übersehen, es braucht eine Anthropologie der Gewalt und ein neues Denken. Und theoretisch kann ohnehin jeder jeden jederzeit umbringen.

Was der Historiker Jörg Baberowski nicht zu fassen vermag, ist, dass Philosophie und politische Theorie vor allem Räume zu schaffen versuchen, in denen ein Handeln oder gar ein alternatives Handeln erst möglich wird. Sie sollen und wollen normativ wirken, weil auch sie den aktuellen Wissen um das Menschsein verinnerlicht haben. Schaut man sich in den gegenwärtigen Gesellschaften um, dann sieht man, um in Deutschland zu bleiben, eine Gewaltenteilung. Man findet in den USA das Prinzip der „checks & balances“, das genau das versucht, was Baberwoski behauptet, dass es nicht stattfinde. Somit liefert „die Studie“ nicht mal einen aktuelle Zustandsbeschreibung dieser Welt. Aber durchaus das Gefühl einer Klientel, wie die Welt angeblich aussieht.

Am Ende des Buches bleibt dreierlei. Baberwoski hat den Drang etwas vermeintlich Neues zu verkünden, und erklärt alle anderen dadurch für doof. Scheinbar will er selbst in die Geschichtsbücher eingehen, was ähnlich peinlich wirkt wie der Drang von Kai Diekmann sich mit Helmut Kohl in exponierter Pose ablichten zu lassen. Zudem legitimiert er das Handeln seines Vaters im zweiten Weltkrieg und erklärt dabei seinem eigenen, jüngeren ich, warum sein Vater doch ganz ok war. Und er scheint dem Bürgertum ein Instrument an die Hand geben zu wollen, mit dem es sich von seiner 1968er-Vergangenheit abgrenzen kann. Was da passiert, erfordert eine genaue Aufmerksamkeit, denn hier spricht einer der Boten des Rechtsrucks, der seit Jahren in Teilen dieses Landes erfolgt.

Erschienen bei S. Fischer Verlage.

Filed Under: Bücher Tagged With: Jörg Baberowski, Räume der Gewalt, rezension

Die langweilige Königin von Palmyra

18. September 2015 By mh120480 Leave a Comment

Die Geschichte von Zenobia, der Herrscherein von Palmyra, halte ich für eine der Schönsten. Dabei bin ich eher Gegenwartsorientiert. Als ich das Buch kaufte, war ich jedoch vor allem eines: unachtsam. Denn das Buch beinhaltet zwar die Geschichte, dreht sich aber eigentlich um etwas ganz anderes. Auch hier, wie vielerorts, wird Zenobia nur zur Inspiration durch den Autor hergenommen.

Dass Daesh gerade in Palmyra so wütet und zerstört, kommt vielleicht nicht von ungefähr, zumal die Stadt reich an kulturellem Erbe ist. All diese Zerstörung, es ist eine Tragödie.

Zacharias Amer - Zenobia

Wirklich viel gibt es zu diesem Buch nicht zu sagen. Im Kern enthält es die Geschichte von Zenobia, auch wenn es wohl eher eine sehr kurze Kurzform ist. Und darum herum, hat Amer seine eigene Geschichte geschrieben, die mehr ein Dialog zwischen der Königin, ihrem Sohn und dem Hausphilosophen ist. Der Dialog versucht grundsätzlich zu sein und dabei noch eine eigene Geschichte zu transportieren. Es geht aber nur um eines. Eine Abrechnung mit dem kriegerischen Verhalten der USA nach 9/11. Dabei teilt Amer in alle Richtungen aus und eigentlich liest es sich ganz interessant. Nur haben wir jetzt das Jahr 2015 und Amer trägt mit all dem nichts Neues bei. Als eigenes literarisches Werk wiederum, ist die gesponnene Geschichte nicht interessant genug, denn sie dient nur der Informationsübermittlung.

Zacharias Amer, meine Damen und Herren. Das Buch erschien im April 2015, aber ich hoffe, dass der Text wesentlich früher entstand. Vor allem Menschen mit einem begrenzten Zeitbudget, könnte sich nach dem Lesen eher ärgern als freuen.

Erschienen per epubli.

Filed Under: Bücher Tagged With: die königin von palmyra, rezenion, zacharias amer

Emanzipation statt -ismus

15. September 2015 By mh120480 Leave a Comment

Zu Katrin Rönickes „Bitte Freimachen“ wird es nur eine Buchbesprechung, keine Rezension geben. Das liegt daran, dass spätestens bei der Danksagung manchem auffallen könnte, dass ich zu dem Buch eine engere Bindung habe, als es der Unabhängigkeit gut tut. Doch ganz schweigen mag ich auch nicht, daher dieser Kompromiss und das sonderbare Format meiner Rezensionen, die erst nach dem Bild beginnen und zuvor einem Kommentar unterliegen, gibt das ganz gut her. Es wird also nach dem Bild heute kein Text mehr erscheinen. Aber zweifelsohne gab es nun einen Kommentar zum Kommentar.

Wer sich das Ganze näher anschauen möchte, kann das am 30. September 2015 in Berlin tun. An dem Tag wird das Buch offiziell vorgestellt.

Ich tue mich durchaus schwer mit dem Wort „Feminismus“, weil es die Ausgrenzung schon im Namen vor sich herträgt. Und sie wird auch genutzt, wenn man sich die Diskurse so verfolgt. Wenn nicht von den Protagonistinnen aus, dann in der Zuschreibung ihrer Gegner. Deswegen bin ich nicht ganz unfroh, wenn ein Buch aus dieser Szene sich auf „Emanzipation“ beruft. Sie durchzieht jede Lebensphase. Immer ist man dabei, sich von etwas frei zu machen. Ein jedes Mal geht auch darum, sich nicht selbst allzusehr aufzugeben. Das heißt, die härtesten Kämpfe finden im eigenen Inneren statt und wir machen sie selten gegenüber anderen sichtbar.

Hier ist das anders, was allein schon eine Art Befreiung sein könnte. Denn sonderbarerweise konsumiert der Mensch recht gerne das, als Buch oder Film, über das er sonst nicht gerne spricht. Dass dabei die Forderung nach einer anderen Art Umgang zwischen Mann und Frau herauskommt, als bei jenen die hauptsächlich darüber schreiben wie böse das Internet zu ihnen ist, dürfte zwangsläufig sein. Aber Emanzipation betrifft eben auch alle und davor kann sich niemand so recht drücken wollen.

In diesem Sinne funktioniert das Buch für mich wunderbar, denn es zeigt eine Art dritten Weg in dieser ewigen Debatte. Dieser dritte Weg bringt vielleicht weniger Klickzahlen und verkauft am Ende sicher auch weniger Bücher. Aber manchmal geht es auch darum das Richtige zu tun und nicht darum, besonders laut zu sein.

Was ich etwas irritierend finde sind die Rezensionen bei Amazon. Scheinbar gibt es einen Anspruch, dass immer alles locker und flockig zu lesen sein muss. In dem Sinne werden die letzten zwei Kapitel kritisiert, in denen es etwas ernster zugeht. Es sind nicht alle Themen für die Leichtigkeit des Seins geeignet, aber ich muss gestehen, dass ich mit den letzten zwei Kapiteln am meisten Spaß hatte. Emanzipation findet zum Glück nicht nur im Mikrokosmos persönlicher Anekdoten statt.

Katrin Rönicke – Bitte Freimachen erschien bei Metrolit.

Katrin Rönicke - Bitte freimachen

Filed Under: Bücher Tagged With: bitte freimachen, katrin rönicke, rezension

Die Argumentationsfalle

28. August 2015 By mh120480 2 Comments

Es hat gelegentlich einen kleinen Vorteil, dass ich mit dem Schreiben zum Gelesenen nicht hinterherkomme. Dieses Buch habe ich beispielsweise im Juni gelesen und nun, Ende August, passt es sehr gut zur aktuellen Lage. So betrüblich diese auch sein mag.

Amartya Sen - Die Identitätsfalle

Der Titel gibt die Richtung vor. Amartya Sen wendet sich vor allem gegen die von Samuel Phillips Huntington vorgebrachte These eines Kampfes der Kulturen, der sich auf geopolitischer Ebene manifestiert. Kulturräume sollen hier gegeneinander stehen und als Ziel ihre Verbreitung und Dominanz anstreben. Diese 1996 ausformulierte These beruht auf Huntingtons Arbeit aus dem Jahre 1987.

Es ist eine These des Kalten Krieges.

Armartya Sen stellt dieser These vor allem eine Form von Komplexität entgegen. Das Individuum der westlichen Hemisphäre ist demnach nicht der christlich geprägte Mensch. Sondern er ist ja auch noch Familienvater, Mutter, Single, Angestellter in einem Hotdog-Laden, Konsument diverser Musikrichtungen, eifriger Buchleser und viele andere Dinge obendrein.

Damit hat er durchaus Recht. Wir sind nicht nur das, was wir in unserer gemeinschaftlichsten Form sind. Hätte Sen seine These auf 50 Seiten dargelegt, wäre auch alles in Ordnung gewesen und die Argumentation in sich schlüssig. Er hat seine Gedanken in diesem 2007 erschienenen Buch jedoch auf 207 Seiten ausgeführt. Das führt zu einer unfreiwilligen Teil-Widerlegung seiner selbst. Die gewählten Beispiele beziehen sich auf Debatten in Großbritannien, denen er selbst im Speziellen ausgesetzt war. Sie sind für Leser aus einem anderen Land, zumal mit diesem zeitlichen Abstand, schwer greifbar und zeigen auf, dass Sens Gedanken vor allem in einem anderen kulturellen Umfeld entstanden sind.

Aus dem Jahre 2015 heraus kann man nur festhalten, dass es natürlich einen Kampf der Kulturen gibt. Spätestens mit dem Aufkommen von ISIS ist dies sehr klar geworden. Aber auch das westliche Streben, seine eigenen Kriege als „guten Krieg“ zu definieren und mit den Menschenrechten zu legitimieren, deuten stark auf Kulturtransfer als Triebfeder hin.

Sen hat in all dem, was er schreibt, nicht Unrecht. Ich fürchte nur, er diskutiert das Falsche. Denn die These vom Kampf der Kulturen befasst sich mit einer übergeordneten Entität, während Sen sich auf das Individuum beruft. Man kann das eine nicht mit dem anderen Verargumentieren, denn der handelnde Staat ist nicht ein Individuum, auch wenn ein Volk immer mehrere Eigenschaften sein eigen nennen dürfte.

Damit taugt dieses Buch vor allem für innerstaatliche Konflikte. Es zeigt sehr gut, warum Gruppierung A nicht auf Gruppierung B losgehen sollte, denn es existieren immer mehr Gemeinsamkeiten als Dinge, die einen Trennen. Das gilt auch für Flüchtlinge und sie drangsalierenden Nazis. Nur dass letztere sich darauf zurückfallenlassen, sich ausschließlich mit den die Gruppierungen trennenden Dingen zu beschäftigen.

Bei den Nazis erst findet sich der Link zu einer Argumentation gegenüber Huntington. Denn seine Idee, von einem Kampf der Kulturen, manifestiert diesen Kampf durchaus. Die gleichen Argumentationsmuster fand man einst bei Condoleezza Rice, die als nationale Sicherheitsberaterin in den USA damit den Irakkrieg rechtfertigte. Gemeint ist hiermit nur nicht eine Argumentation im Sinne von Kultur, sondern eine Argumentation im Sinne von Globalisierung und Immunisierung der Argumente. Die Ablehnung eines Arguments und einer Betrachtung im Sinne der Komplexität und somit einer Gesamtwahrnehmung. Dies ermöglichte ihr anschließend Bindungsmaßnahmen für die Koalition der Willigen. Mit Sätzen wie:

Bestraft Frankreich, ignoriert Deutschland und verzeiht Russland.

Der Dreh ist offensichtlich. Politische Akteure neigen zur Vereinfachung, wozu ihnen die Globalisierung der Argumente dient, um Handlungsfähig zu bleiben oder eine eigene Ansicht durchzudrücken. Sen würde gerne die Komplexität in den Vordergrund rücken, nur argumentiert er dafür auf dem falschen Feld.

Am Ende bleibt wie immer die Frage, ob es denn hilft, als Rat zu geben, das Individuum in den Vordergrund zu rücken. Erreicht man damit nicht vor allem jene, die ohnehin so denken? Mir dünkt so und damit werden solche vernachlässigt, die es sich gerne einfach machen.

Amartya Sen, meine Damen und Herren. Man muss schon mit einigen Winkelzügen denken, um noch etwas zu gewinnen.

Erschienen bei C.H.Beck. Übersetzt von Friedrich Griese.

Filed Under: Bücher Tagged With: armartya Sen, die identitätsfalle, rezension

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