Heute wird im Bundestag über das Rettungspaket für Griechenland abgestimmt. Eine Zusammenfassung der Kontroverse gibt es beim dradio wissen.
Als 2007 die Finanzkrise ausbrach und das Thema PIIGS erstmals durch die Welt waberte, interessierte sich in Deutschland niemand dafür. Erst 2009 begann das Thema Griechenland dann in den Köpfen anzukommen, als die offensichtliche Verfälschung der Staatsbilanz offenbart wurde. Natürlich, nach einer Wahl.
Seitdem beschäftigen wir uns mit Griechenland ständig. Fast nur noch und es gibt wenig Pausen. Im Mai 2010 gab es das erste Rettungspaket. 2011 wurde ein Zweites verhandelt. An dem wird bis heute rumgebastelt.
Würde ich es zeitlich eingrenzen müssen, meine Behauptung wäre: Ab Februar 2010 sind die Abgeordneten im Bundestag wie auch das Volk, durch die Medien, informiert. Und wenn man denn mochte, hätte man sehr tief in die Materie einsteigen können. Die meisten Informationen waren und sind öffentlich. Der Stand einer Verhandlung ist es im Detail selbstverständlich nie, zumal diese Verhandlungen ein fortlaufender Prozess sind, in dem sich ständig alles verändert. Wer an dieser Stelle Transparenz fordert, ist etwas weltfremd.
Seit Februar 2010 wird über Hilfen für Griechenland zu diskutieren bedeutet auch, dass jedem Bundestagsabgeordneten seit diesem Datum klar sein musste, dass er sich mit diesem Thema beschäftigen muss. Statt des steten Lamentos darüber, dass man ja nichts wissen kann und nie eine Chance hatte, müsste es eigentlich einen Vorwurf geben. Verbunden mit der Frage, warum jene, die nun jammern, sich denn nicht seit Februar 2010 in einem steten Lernprozess zur Thematik Griechenland befinden.
Das würde nämlich bedeuten, dass man denen nun nur noch die Dokumente vorlegen muss, anhand derer sie sich entscheiden sollen. Lesen, Rückfragen stellen, fertig. Dass solcherlei funktioniert, beweisen nicht zuletzt die Medien, die bereits am Wochenende Schwachstellen ausmachten.
Ich bin durchaus dafür, da ein paar Tage mehr zur Entscheidung draufzulegen, aber das grundsätzliche Problem ist nicht, dass die Unterlagen so kurzfristig eingereicht werden, wie momentan vor allem die bloggende Zunft anprangert.
Unabhängig davon gibt es Fachpolitiker, die in diesem Lernprozess drinnen stecken. Die sich wesentlich mehr mit der Thematik beschäftigen als Blogger und Journalisten, die teilweise an den Verhandlungen teilnahmen und nehmen und in den politischen Bildungsprozess eingebunden sind. Natürlich haben diese im Parlamentsbetrieb eine Empfehlungsmacht.
Glaubt denn ernsthaft jemand, dass eine Kristina Schröder, die sich offensichtlich nicht mal mit ihrem eigenen Ministerium klarkommt, in der Lage ist die Thematik in annehmbarer Gänze zu verstehen? Weniger polemisch betrachtet wäre die Frage, ob wir von Fachpolitikern für Straßenbau denn wirklich eine ausführliche Meinung zu Griechenland erwarten können oder ob wir da nicht zwangsläufig auf das Fachpersonal (für Finanzfragen) zurückgreifen müssen. Eben!
Denen nun mal eben die Kompetenz abzusprechen, mit dem erhabenen Blick von außen, also wesentlich weniger an Informationen, finde ich nicht nur übertrieben.
I beg to differ:
Wir haben nicht nur eine repräsentative Demokratie, bei der das Volk durchs Parlament vertreten wird, sondern wir sind auch eine parlamentarische Demokratie, bei der das Parlament bestimmte Sachen zu verstehen, zu diskutieren und zu beschließen hat.
Wir können uns den ganzen Mist auch schenken, den Merkozy und den IWF irgendwelche Sachen auskugeln lassen und Bundestag und -rat dann abnicken lassen.
Sorry, aber mein Verständnis von Demokratie sieht scheinbar anders aus als deines …
ich denke du gehst da über die arbeitsweise des parlaments hinweg und stellst einen anspruch an das parlament, den es noch nie erfüllt hat.
politisch betrachtet sind alnge debatten meist auch nur debatten, in denen es darum geht erst mal nichts zu entscheiden und ggf. wahlkampf zu betreiben.
die arbeitsweise bei der thematik entspricht genau der des parlaments in jedem anderen bereich auch, nur dass die fristen hier kürzer sind als üblich.
das, was du jetzt vom parlament verlangst, hättest du im februar 2010 verlangen müssen. darum ging es mir auch. wir müssten jetzt ne pause längerer natur einlegen, damit das thema beackert werden kann. schlussendlich bräuchten die abgeordneten nen crashkurs mit verständnisgewinnungsphase.
manche werden es nie verstehen, andere vielleicht so halbwegs. und viele entscheidungen sind mehr politisch als finanziell, vor allem was den in der eu geschlossenen kompromiss betrifft.
ich seh den fehler da aber auch nicht bei der EU und den griechen. mE hätten die abgeordneten sich ob der offensichtlich immer wieder drohenden abstimmungen da pro-aktiv um die wissensbildung kümmern müssen. das muss man ihnen auch vorwerfen, denn sie werden der demokratie damit nicht gerecht.
ich spreche ihnen dabei nur nicht ab, dass sie dinge auch nicht wissen. mir ist es lieber, wir haben gut informierte politiker in ihren jeweiligen bereichen, die sich nicht ständig um themenfremdes kümmern müssen… ganz so, wie wir auch unsere gesellschaft organisiert haben. ich lass doch keinen maler an die produktionsschiene vom kekshersteller.
als ausgleich zwischen diesen beiden ansprüchen gibt es die ausschüsse mit ihrer empfehlungsmacht und die möglichkeit einer enthaltung für den einzelnen abgeordneten.
..
jetzt aber stehen wir jedoch vor der ganz simplen frage: zahlen wir 20 mrd und lassen im mai abstimmen, damit sich mit jeder damit beschäftigen kann und derweil ggf. andere dinge nicht bewirtschaftet werden? oder belassen wir es beim ursprünglichen vorgehen des parlaments. wir sind mE nicht mehr an dem punkt, an dem wir da groß auswahlmöglichkeiten haben.
wenn das parlament sich daran stört, also ein problem sieht, dann soll es mit nein stimmen, neu verhandeln und die konsequenzen auch tragen. also wir dann, die bürger.
…
mir gefällt der kram ja auch nicht, weil es eben ein zwiespalt ist. aber genau das ist eben politik.. etwas nicht perfektes und ein kompromiss.
ich würde ob meiner informationen ansonsten auch für das paket stimmen. ich sehe die risiken. wir haben sie nur in beiden fällen und der austritt aus dem euro ist mE keine alternative.
mfg
mh
Ich stell die Frage mal anders herum: Wir bräuchten überhaupt nichts zu bezahlen, wenn nicht der Haircut wäre. Dann würde das restliche Geld aus dem ersten Rettungspaket nämlich noch etwas reichen. Den Druck haben sich die Politiker ganz allein gemacht. (Und den Weg, den Haircut zu erhöhen, hat übrigens auch kein Parlament beschlossen. Das ist doch alles nicht demokratisch legitimiert …)
Dass du diesen speziellen Fall geradezu zu einem Musterbeispiel für die repräsentative Demokratie machen willst, leuchtet mir nicht ein. Wir reden hier über Dinge, an denen die EU zerbrechen kann oder unser aller Währung vor die Hunde geht. Da geht es nicht um den Führerschein mit 17 als Probeversuch, die Abschaffung einer Salzsteuer, die 400 Mio. im Jahr einbringt oder anderen Mist. Das kann man in Fachausschüssen durchdiskutieren, sich erklären lassen und zustimmen. Wenn man dieses Verfahren (ohne dass die Demokratie nicht funktionieren würde, da stimme ich ja voll zu) aber bei Entscheidungen dieser Größenordnung auch OK findet … Nun ja …
das problem fängt damit an, dass wir griechenland kredite gegeben haben für die wir nun keinen haircut mitmachen wollen.
das problem geht damit weiter, dass die ezb und die nationalen notenbanken ebenfalls keinen haircut mitmachen wollen.
wenn es also einen haircut geben kann, dann verbleiben da nur noch die privaten investoeren, die in ihrer gesamtheit knapp 55% der kredite vertreten. die wiederum haben so gar keinen bock, auf geld zu verzichten. will man also verhandeln und dabei etwas erreichen, dann geht das nur über zeitdruck und die aussicht auf den komplettausfall.
das gleiche gilt, und da sind wir uns ja schon eher einig, für den reformdruck gegenüber griechenland, den man ja auch erst mal mit genau den gleichen methoden erzeugen muss. va wenn griechische politiker noch während der verhandlungen meinen, dass man jetzt einfach mal zustimmt und später nach verhandelt.
für einen haircut gab es übrigens genau ein zeitfenster und das ist… mai 2010 gewesen.. damals entschied man sich aber für die rettung und nicht für die insolvenz. zumal bis heute keine mechanismen für eine insolvenz bestehen. es ist politisches neuland innert der eu und hier muss alles neu definiert werden. das gilt dann aber auch für alle. inklsuive der gesetzten anreize.
der zeitdruckd er erzeugt werden musste, konnte nicht erzeugt werden, in dem man alle parlamentarier informiert, was getan wird und das dann tut… es entscheiden in politischen prozessen, gerade wenn es um solche grundlegend entscheidenden dinge geht… wenige personen.
es gibt für mehr gar nicht den politischen handlungsspielraum. aber noch mal… wenn das parlament deine ängste und sorgen teilt, dann wird es dagegen stimmen. stimmt es aber dafür, heißt das auch nicht zwangsläufig, dass deine sorge berechtigt ist. sondern nur, dass das parlament da nicht deiner meinung ist. (außer die linken, die werden sicher dagegen stimmen..)
Wir nehmen mit solchen Diskussionen und Vorgehensweisen die Bevölkerung NICHT mit, weder in D noch in GR. Das kann sich noch übelst rächen.
Wenigstens den Anschein von Diskussion und Durchdenken, wenigstens die Illusion, man habe über die Alternativen nachgedacht, muss sich die Demokratie geben. Ansonsten können wir das alles abschaffen …
Dass es den Handlungsspielraum nicht gibt, ist doch Quatsch. Es gab ihn zwischendurch, es gibt ihn auch jetzt. Wenn die Banken 70% Haircut überleben, schaffen sie auch 100%. Im Notfall muss man noch ein paar Milliarden für den Bankenrettung bereitlegen und könnte dann das gesparte Geld für Portugal bereitstellen, damit klar wird, dass GR einmalig bleiben wird.
Aber wir machen nichts. Das ist alles nur Kleinklein. Leugnen, bis es nicht mehr anders geht und dann unter extremem Druck Notoperationen durchführen. Eine langfristige Strategie ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Was passiert mit GR nach dem Haircut, der ja nie im Leben ausreichen wird? Was passiert mit Portugal, wo die Lage auch kaum besser aussieht als in GR? Alles unklar. Völlig unklar.
wird dieser anschein nicht dadurch erzeugt, dass bspw. ein innenminster friedrich plötzlich querschießt oder bosbach nicht mit macht?
es ist ja nicht diskussionslos, was da passiert.
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die rettung an sich ist, da gebe ich dir recht, vollkommen blödsinnig gelaufen. ich kann aber, und das ist der unterschied im politischen handeln zum theoretisch sinnvollen gebaren, gut nachvollziehen wie es dazu kam.
Marco, ich sehe das ähnlich wie Du. Der eigentliche Kritikpunkt ist nicht, dass es zwischen Freitagabend und Entscheidung nicht diskutiert wird. Kritikwürdig ist es, dass es die letzten 2 Jahre lange nicht getan wurde. Dazu hat sicher beigetragen, dass von offizieller Stelle stets ein Rettungspacket geleugnet wird oder wenn es dann doch kam, behauptet wurde es wäre das letzte. So haben wir die zwei Jahre mit einer Serien von Zeiträumen übergrügt, die jeder für sich zu kurz für eine Diskussion war. Und daran waren auch Merkozy und die Kommission schuld. Die haben ja gezielt jeder Diskussion unterdrückt um “die Märkte nicht zu beunruhigen”.