„Die Freiheit, frei zu sein“ heißt ein Essay von Hannah Arendt, das eigentlich keinen Namen hatte und erstmals in 2017 auf Englisch veröffentlicht wurde. Arendt identifiziert hier eingangs ein Phänomen, das wir heute als Trend bezeichnen würden. Politik als ewige Revolution, der permanente Umsturz als ideologisches Bindemittel in Abgrenzung entgegen dem westlichen, im Kern, Vorbild.
Eine ähnliche Situation scheint in der SPD, in Korrespondenz zur Außenwelt, entstanden zu sein. Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendjemand zurücktritt, andere beschuldigt, einen Neuanfang fordert oder eben diesen verhindern will. All das, begleitet von einem Wust an Kommentaren die sich zwischen Häme, Hass, Enttäuschung, Forderung und Belustigung bewegen. Gewürzt mit einer Prise Zynismus und Fatalismus entgegen denen da oben. Man will die „sich-Taschenvollstopfer“ fallen sehen. Alle.
Nüchtern betrachtet geschah jedoch nicht viel. Die Machtverhältnisse innerhalb der Partei waren ungeklärt. Zu groß war der Riss zwischen jenen, die erneuern wollten und jenen, die am Bestehenden festhielten. Die Parteiführung hat versucht, diesen Konflikt durch Erneuerung zu steuern. Doch wurde diese Erneuerung durch ein Scheitern von Jamaika verhindert. Stattdessen fand man sich in einer Lage, in der man „Verantwortung zeigen” sollte. Die Strategie veränderte sich gen „Großer Koalition“ (mit den Unionsparteien) und, als Folge dessen, wurde versucht, die interne Spaltung durch Themen zu übertünchen. Zumindest aber die Reihen innerhalb der Führungsriege zu schließen.
Was sich statisch anhört, ist in der Realität kein leichter Vorgang. Es geht um Egos, Ängste und Gruppendynamiken. Aber auch darum, ein funktionstüchtiges Team in eine Koalition mit einem schwierigen Partner zu senden. Um einen Kompromiss, der nicht für jeden aber für eine Mehrheit tragbar ist. Wir sprechen über eine komplexe Aufgabe, bei der man mehr falsch als richtig machen kann und bei der nicht jeder Partner und jeder Kompromiss den eigenen Wünschen entspricht. Das zu erreichen, erfordert eine gewisse Schmerzlosigkeit sich selbst gegenüber.
Schaut man nun auf die letzten Monate zurück, dann ergibt sich ein sonderbares Bild. Die mediale Vermittlung dieses Vorgangs beschränkte sich vor allem auf Gewinner und Verlierer. Wenn etwas scheitert, sucht man sofort nach einem Schuldigen. Erst war es Christian Lindner, bei den Jamaika-Verhandlungen, nun ist es Martin Schulz bei der SPD. Alles wird im Sinne einer Strategie beurteilt, die doch klarerweise optimal hätte sein müssen. Weil doch vollkommen klar ist, was zu tun gewesen ist.
Aber was konkret hat sich Martin Schulz zu Schulden kommen lassen? Den Schulz Hype hat er wohl kaum befeuert, aber das warf man ihm vor. War er schlecht beraten? Der Spiegel legt das nahe. Hatte er Beißhemmungen gegenüber Merkel? Definitiv. Weiß er, wie man Machtstrukturen um sich herum aufbaut, damit man abgesichert? In der EU ja, in Deutschland hatte er dafür keine Zeit. Einte er die Partei? Nur kurzzeitig.
Es ist nicht nur, dass man Leute in Ruhe ziehen lassen sollte, wenn sie gehen möchte. Dass man nicht auf jene eindrischt, die am Boden liegen.
In den USA gibt es zurzeit einen Präsidenten, der nicht nur gegen alle Regeln verstößt, sondern auch einfach nicht geht, nachdem der Mist rausgekommen ist. Und so ist dort eine Situation entstanden, in der die ständige Revolution gegen das Bestehende stattfindet. Unter der kompletten Missachtung jeglicher direkten und indirekten Regeln. Die Gesellschaft erodiert, die politische Opposition nennt sich “Resistance” und es gibt kaum noch ein Zusammenfinden.
Um das zu erreichen musste Donald Trump nur eines sein. Nicht Martin Schulz.