Saskia Sassen ist eine mir durchaus angenehme Autorin, die es schon immer vermochte, die Welt sehr genau zu skizzieren. Daher griff ich zu, als ich letztens in einer weniger bekannten berliner Buchhandlung dieses Werk vor mir liegen sah. Überfallen von einer Ahnung, las ich mich durch und es kam, wie es kommen musste.
Vor Ihnen liegt das zweite Buch in Folge, bei dem ich mir am Ende dachte: Hä?
Saskia Sassen ist eine Institution, gerade bei den Linken. Und immer wenn so eine Institution etwas veröffentlicht, sind alle ganz begeistert. Wer auf twitter verfolgt hat, wie ich dieses Buch las, wird vernommen haben, dass ich recht viel daraus per Bild verbreitete. Es gab also auch viel zitierfähiges Material und das ist vor allem deswegen zitierfähig, weil es die Weltwahrnehmung der Menschen bestätigt. Man hat es ja schon immer gewusst und gerade dann, wenn es um Nestlé geht, sind die Menschen besonders reaktiv.
Das heißt, man kann dieses Buch lesen und viel darin finden, dem man zustimmen wird. Trotzdem hält sich meine Begeisterung in Grenzen, denn nahezu alle aufgezählten Geschichten und Statistiken waren in der einen oder anderen Form schon bekannt. Sie kommen hier nur noch einmal gebündelt und kompakt daher. Nebst einer ewig langen Einleitung, denn Sassen braucht über 40 Seiten um zur Sache zu kommen. Meint, den Modus zu verlassen, in dem sie der Leserin erklärt, was sie eigentlich vor hat. Es mündet dann in einer ebenfalls ca. 40 Seiten langen Aufzählung von Umweltsünden, ehe eine nochmalige Zusammenfasung des Buches den Leser enden lässt.
Die Aufzählungen verfehlen ihre Wirkung nicht, sie lassen die Welt dystopisch erscheinen. Überall Umweltsünden, Armut, Korruption und Kapitalakkumulation. Man wusste es ja bereits und sucht verzweifelt nach der These. Denn die angekündigte These “Ausgrenzungen”, soll durch die Aufzählung erst sichtbar werden. Notwendig sei dies, so Sassen, weil wir neuer Wörter bedürfen. Kapitalismus zieht nicht mehr. Akademischer formuliert: Der Kapitalismus und alles was wir an Worten dafür kennen, ist eine ungenügende Beschreibung.
Ausgrenzung soll es nun sein. Nur begründet Sassen das nicht. Es gibt nicht einmal eine klare Definition oder einen Versuch, dieses Wort durchzusetzen. Es wird nur immer wieder erwähnt und behauptet, das sei neu. Nur was, so frage ich mich beim Lesen, diskutieren wir denn hier in Deutschland seit Einführung der sozialen Marktwirtschaft, wenn nicht das Thema Ausgrenzungen? Klar, wir nennen das dann gesellschaftliche Teilhabe und kämpfen eben dafür. Es ist das gleiche in Grün und Sassen hat an diesem Punkt weder Neues hinzuzufügen noch ist sie hilfreich. Gleichwohl, viele der Themen die sie anspricht dürfte die Menschen in den USA wesentlich mehr pressieren als die Leser hierzulande. Fracking ist bei uns beispielsweise noch kein “aktives” Thema.
Die Darstellung der Probleme in Form einer Aufzählung lässt die Auseinandersetzung mit dem System vermissen. Es geht ihr nur um das Wort an sich und das ist höchst seltsam, da sie für das Wort dann nicht kämpft. Man weiß nicht so recht, was die Autorin eigentlich treibt, was sie will und ob ihr zwei bis drei Jahre mehr an dem Thema nicht gut getan hätten. Schöne Charts und Grafiken können darüber nicht hinwegtäuschen.
Viele Leserinnen werden mit dem Buch dennoch nicht unzufrieden sein. Die Methode reicht aus um das politische Gefühl und die Absicht entgegen der Welt zu beflügeln, zu bestätigen. Wer nach Selbstversicherung sucht, für den ist das Buch ideal. Das ist nur leider eher esoterisch und absolut nicht politisch, geschweige denn ernsthaft analytisch. Vielmehr eine Beimischung zum Lifestyle, gerade urbaner Gefilde. Dass Buchverlage zu solchen Werken neigen, konnte man zuletzt auf der Frankfurter Buchmesse erfahren.
Saskia Sassen, meine Damen und Herren. Wiederholung ist kein Wert an sich.
Erschienen bei S. Fischer Wissenschaft. Übersetzt von Sebastian Vogel.
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