Ich halte mich im Regelfall aus den Feminismus- oder Rassismus-Debatten dieses Internets raus. Die Ausnahmen sind Kommentarschlachten erheiternder Natur oder auch einfach nur dann, wenn es mal wieder zu sehr ausartet.
Ich möchte an dieser Stelle ein Experiment mit euch machen. Und die Reihenfolge der Darstellung entspricht bewusst nicht der zeitlichen Abfolge. (Ihr lest ja eh drüber.. verderbt!)
Schaut euch bitte dieses Video von Lantzschi an, dass (wenn ich es richtig im Kopf habe) im Rahmen der re:publica 2008 entstand.
Kampf der Internetsprache – MyVideo
Und nun lest diesen Text: To whites it should concern
Der Einstieg ist insofern interessant, als dass dieses kurze Video sehr einprägsam darstellt, wie Lantzschi war, als sie im März 2009 einen Podcast mit Malte Welding „absolvierte“.
Malte Welding? Nun ja, man darf diesen Mensch eigentlich nicht lesen. Jedenfalls finde ich seine Kolumne in der Berliner Zeitung ekelhaft zu lesen. Gestern las ich ihn nun doch und dachte mir: „Endlich sagt es mal einer!“. Er machte den Thilo, mit folgendem gen Lantzschi gerichteten Text:
Im Herzen die Weißeste von Allen
Nun mag man mit der leicht tölpelhaften Art und Weise des Textes sicher unzufrieden sein, doch trifft er einen Punkt, der schon lange nicht mehr zu sehen ist. Kommunikation.
Es begann irgendwann bei den feministischen Diskussionen aus dieser Ecke, dass der Begriff „weiß“ eingeführt wurde. Es ging dann nicht mehr nur um männliche Machtstrukturen, sondern darum, dass diese männlichen Machtstrukturen auch noch weiß sind. Jeder weiße mächtige Mann gilt demnach als Rassist. In der Folge wurde der Begriff um Mehrheitsgesellschaft ergänzt, wobei die Definition immer dahin ging, dass die weiße Mehrheitsgesellschaft alle anderen diskriminiert. Warum? Weil sie existiert.
Wer auf dem TAZ-Lab war, konnte live miterleben, wie dieser Vorwurf selbst gestandene Politiker aus dem Konzept brachte. Es impliziert verbale Macht, durch diejenige, die ihn gebraucht und diesen Vorwurf in den Raum zu stellt. Doch da er in Relation zum Thema absolut überdimensioniert ist, nutzte er sich entsprechend schnell ab. Der Abbau des Effekts führt zu verstärktem rumbrüllen mit der Begrifflichkeit. Der Begriff des Rassismus wird somit nicht nur durch den unsinnigen Gebrauch stark entwertet, sondern in der Folge auch durch die inflationäre Anwendung.
Mir ist zwar klar, warum diese Vermischung zwischen den Themenbereichen Feminismus und Rassismus stattfinden kann /sollte. Nicht klar ist mir jedoch, warum diese Vermischung dazu führen muss, dass sich jeder weiße Mensch regelrecht angepisst fühlen soll, wenn er diese Argumentation an den Kopf geklatscht bekommt. Er ist ja dann nicht mehr nur kein Feminist, er ist ja zugleich auch noch ein Rassist. Man kann das alles durchaus zur Reflexion nutzen, also den Effekt, doch dann mit sanfteren Methoden, im gemeinsamen Diskurs.
Dies jedoch, findet in keiner konstruktiven Art und Weise statt. Der Effekt wird noch dadurch verstärkt, dass Personen wie Lantzschi begonnen haben jede Form der Diskussion über diese Themen dadurch zu blockieren, dass sie in einem Fort behaupten, man könne sich doch alle Informationen anlesen, bevor man darüber diskutiert.
Das gipfelt mittlerweile in der Standard-Aussage, in nahezu jeder Diskussion, dass alle anderen nur zu blöd sind, die Informationen im Internet zu finden. Eine unreflektierte Ultimativlogik, die ganz offen vor sich hergetragen wird.
Hat man jedoch gelesen, was man lesen soll, und interpretiert dies ganz anders, dann hat man 50 andere Sachen nicht gelesen, die das missverstehen aufklären würden. Es ist eine Endlosschleife und es verhindert die Reflexion derer, die Beschimpft werden.
Diese Vorgehensweise verkennt fundamentale Grundlagen des menschlichen Seins. Nicht nur, dass nicht jeder die Zeit hat, sich dieser Monothematik in seiner Freizeit zu verschreiben, der es bedürfte, um dann mitreden zu dürfen. Es ist vielmehr auch so, dass dieses abwatschen und dauerhafte Bashing dazu führt, dass Menschen, die der Sache gegenüber aufgeschlossen sind, ständig eins in die Fresse bekommen. Sie machen dicht.
Ich habe beispielsweise einen Freund, den ich über Monate hinweg an die Thematik Feminismus ran führte und bei dem die Aufklärung zu wirken begann. Aus Interesse begann er dann von sich aus diverse Dinge zu lesen und zu recherchieren. Das anfänglich positive Bildnis kehrte sich sofort ins Gegenteil um, als er (von selbst) auf Lantzschi stieß und deren Pamphlete las. Er fühlte sich schlichtweg beleidigt und machte dicht. Alles umsonst? Nein, aber es wurde schwieriger und viel ward zerstört.
Wer sich durch das Archiv von Lantzschis Blog wühlt, wird feststellen, dass diese Entwicklung nicht von ungefähr kommt. Ein an für sich schüchterner Mensch bedient sich diverser Hilfsmittel und beginnt über das Internet Zuspruch zu bekommen.
Je flapsiger sie schreibt, je größer der Zuspruch, aus ebenfalls so agierenden Kreisen. Wir Menschen konsumieren gerne, was unseren Ansichten entspricht. Das ist nicht reflektierend. Gerade über Follower und Klickraten können wir uns immer ganz gut einreden, dass wir ganz tolle Dinge schreiben. Und wird der Widerspruch zu heftig, wird einfach der Kommentarbereich eines Blogs abgeschaltet. Sind ja eh alles Idioten.
Es handelt sich hierbei um klassische Abgrenzungsrhetorik. Man gibt sich selbst einen Sinn und ein Standing dadurch, dass man eine Gruppe um sich scharrt, die zustimmt. Um diese Zustimmung zu schützen, wird ein argumentativer Schutzwall errichtet, der durch Logik nicht zu durchbrechen ist. Es ist ideologisch.
Außenstehende, die diese Dinge anders interpretieren oder gar nicht erst so viel lesen konnten / wollten, wie man nun müsste, können diese Abschottung nur dadurch aufbrechend lösen, dass sie unreflektiert nachgeplappern, was die verbalen FührerInnen als Wording vorgeben.
Natürlich kommt das nicht von ungefähr und niemand behauptet, dass die Welt gut ist. Die Lösung kann aber nicht sein, dass alle Menschen, die sich dafür interessieren, was ihr Fehler ist, runtergemacht, erniedrigt und verleumdet werden, weil sie nicht 50.000 Bücher und Studien gelesen haben oder schlimmer noch, anderer Meinung sind.
Allein die Frage danach, was für einen Fehler man begangen haben könnte, zeigt, dass jemand sich weiterentwickeln möchte. Es gibt keinen Grund, Menschen diese Weiterentwicklung zu verwehren. Im Gegenteil, es ist die Aufgabe der Privilegierten, nicht immer nur weiter ins Licht zu gehen, sondern auch mal zurück, um die anderen mitzunehmen. (Wie es Gunter Dueck einst so schön formulierte.)
Natürlich kann man an dieser Stelle einwerfen, dass die Maskulisten mit genau diesen Argumenten dahertraben. Sprich so tun, als ob, um in der folgenden Diskussion dadurch ihre eigene Ideologie zu verbreiten. Wenn dies jedoch das eigene Handeln begründet, dann passt man sich jenen an, gegen die man ist. Es ist Apfel.
Liebe Lantzschi, du bist geworden, was du kritisierst.
Wie unkommunikativ man mittlerweile geworden ist, zeigt sich im Kleinen. Nach der gestrigen Diskussion um „PoC“ habe ich mal versucht über Wikipedia rauszufinden, was „PoC“ nun ist. Das Ergebnis war, in der Wikipedia taucht diese Abkürzung nicht auf. Durch die Diskussion wusste ich nun natürlich, wonach ich zu suchen hatte. People of Colour. Ein Begriff, der sich laut Wikipedia vor allem im angelsächsischem Raum entwickelte. Die Abkürzung, die angeblich so gebräuchlich ist, könnte man einfach in die Wikipedia eintragen. Nicht einmal das erfolgte bisher, obwohl dies die geringste Form des Engagements (ohne Diskussion) wäre und man im Internet doch alles findet.
Und da landen wir wieder bei der Abgrenzungsrhetorik. Man drückt sich für die Mehrheit nicht verständlich aus, weil die Mehrheit die Herrschenden sind. Man kann der Mehrheit aber auch nur dann vorwerfen, Dinge nicht zu verstehen die man nicht erklären will, wenn man Begrifflichkeiten nutzt, die der Mehrheit nicht bekannt sind.
Die Mehrheit dient dem entsprechend nur der Bestätigung der eigenen Meinung, die bewusst abgegrenzt wird.
Aber es gibt auch die andere Seite, die Konsumenten solcher Pamphlete. Ich kann mittlerweile in Berlin eigentlich nirgendwo mehr hingehen, ohne mit dem Thema Lantzschi konfrontiert zu werden. Beschwerde reiht sich an Beschwerde. Die Menschen nervt es. Aber dennoch, sie konsumieren es um sich dann darüber aufzuregen. Und auch das, sollte enden.
Ignoriert den Scheiß doch einfach.
Es gibt zu jeder, auch dieser, Thematik gemäßigte Kräfte, die daran interessiert sind, die Sache an sich voranzubringen. Die Dinge diskutieren. Hart in der Sache, fair im Umgang. Der Kegelklub sei hier beispielhaft genannt.
Elemente, die Brücken bauen wollen zwischen den Wissenden und den Interessierten. Die ein ehrliches Interesse am Diskurs haben, der Bildung durch den Diskurs und keinen Zwang, kein Bashing aus dem reinen Selbstzweck betreiben. Das sind jene, denen Gehör geschenkt werden sollte, die unterstützt werden müssen.
Soll heißen: Eine feministische Reaktion auf Sexismus gegen Frauen, kann nicht Sexismus gegen Männer sein.
Danke! 🙂
Mein Text, von dem ich heute schrieb, wird eine allgemeine Kritik an radikalen Linken und Feministinnen werden und da lieferst du echt eine wunderbare Vorlage zur Referenz.
Aber wie gesagt: Ich warte da noch ein paar Tage mit, hab auch noch einen Text für den Kegelklub in der Mache. Danke für die Erwähnung! 😀
Hallo
Du sprichst mir aus der Seele.
ich bin mit der ganzen Diskussion nicht wirklich vertraut, habe, aus Intuition und Überzeugung, aber immer versucht, Diskriminierung und Rassismus zu vermeiden und dagegen anzugehen.
Aber ich hab KEINEN BOCK mich dann, wegen Unwissenheit aber Lernwilligkeit, Naivität aber positiver Einstellung runtermachen zu lassen.
By the way: Manche “Aktivisten” klingen wie Verschwörungstheoretiker. Ist man nicht ihrer Meinung, gehört man zu “Ihnen”.
Kotzt mich an sowas.
Gruß
Ronsen
Hallo,
ich verfolge Lantzschi auch schon länger per twitter und lese ab und zu ihre blog beiträge. in letzter zeit ist mir ähnliches durch den kopf gegangen, wie es oben im artikel steht. ich bezeichne mich selbst als feministin, bin schon “etwas” älter – und versuche mich wirklich für die jungen feministinnen zu interessieren – inklusive das lesen von judith butler usw. PoC hatte ich auch noch nie gehört. In letzter Zeit hatte ich das Gefühl die Diskussionen von und mit Lantzschi werden elitär und habe mich sowieso zurückgezogen. Ihre letzten Äußerungen auf Twitter – sinngemäß – “wenn ihr den feminismus als zu akademisch empfindet, könnt ihr blos nicht googeln” und auch das kürzliche sinngemäß “bei astrophysikerInnen können auch keine leute mitreden, die nur jeden abend die sterne anschauen” hat mich ziemlich abgestoßen. Wenn jetzt jemand fragt, warum ich ihr das nicht persönlich sage – sie hat noch nie auf einen meiner kommentare und twitter anreden reagiert. ich bin halt nur einfach jemand, der jeden abend die sterne anschaut…
lg i.
Hab mich aus diesen Gründen vor Monaten bei Frauenthemen ausgeklinkt. Ich hab genügend eigene, andere Interessen und weder Zeit, bei diesen Diskussionen ständig à jour zu sein, noch Lust, in einem rein akademischen Kontext zu diskutieren. Das war nie meine Sichtweise, und sie wird es nie werden. Mit dem Kegelklub könnte ich was anfangen, wenn sich mir nicht mittlerweile bei der gesamten Thematik die Nackenhaare aufstellten. Ich mag nicht mehr.
Das trifft präzise die Probleme die ich mit dem ganzen Streit habe.
Man kann nicht erst eine Debatte in die Gesellschaft tragen und sich anschließend darüber beschweren, dass die Gesellschaft daran teil nimmt. Wer nur mit Fachkollegen reden möchte, der sollte allerdings auch keine großen sozialen Veränderungen erwarten.
Zu den drei Jahren Entwicklung habe ich auch etwas beizutragen:
http://rebellmarkt.blogger.de/stories/1925316/
auch wenn lantzschi die person ist, an der ich das thema beispielhaft aufgearbeitet habe, geht es mir nicht darum lantzschi zu bashen. das ziel war / ist lantzschi zu vermenschlichen und dadurch für den außenstehenden, der bei diesem thema mittlerweile abschaltete ob seiner erregung über die einzelperson, wieder zu erden.
von daher kann ich mich dir da nicht anschließen. ich halte deine art & weise für kontraproduktiv, da du nur den raum bietest, in dem sich die gegenmeinung wieder nur argumentativ verstecken kann, im sichtbaren ausblenden der sachlichkeit andernorts. das ist kontraproduktiv.
mfg
mh
“Hat man jedoch gelesen, was man lesen soll, und interpretiert dies ganz
anders, dann hat man 50 andere Sachen nicht gelesen, die das
missverstehen aufklären würden.”
Gut beobachtet. Festzustellen ist ferner, dass immer nur Bücher gelesen bzw. empfohlen werden, die die eigene ideologische Position stützen, das bewegt sich eigentlich immer nur zwischen Foucault und Butler. Alles was sich sonst noch mit den gleichen Fragen beschäftigt, wird ignoriert oder verällt der Verurteilung (“rechts”, “Biologismus”), ohne das eine inhaltliche Auseinandersetzung überhaupt stattfindet. Wenn man dann einfach Gegenargumente bringt, ohne sich auf Quellen zu beziehen, werden sie einfach gelöscht.
Eigentlich eine höchst beängstigende Perspektive.
Ein typisches Problem der Linken und in etwas geringerem Maße das Problem aller Ideologien.
Frau Lantscht wäre eine gute Mitarbeiterin der Zensurbehörde in China
“Hat man jedoch gelesen, was man lesen soll, und interpretiert dies ganz
anders, dann hat man 50 andere Sachen nicht gelesen, die das
missverstehen aufklären würden.”
Es ist doch ganz einfach. Als weißer Mann kann man das gar nicht verstehen, dann verstehen können nur die Opfer, und wer wann wie Opfer ist, das bestimmt jede selbst. Das Problem ist also ein latenter, unbewusster Sexismus und Rassismus, den der weiße Mann nicht verstehen kann. Anstatt ihn aufzuklären brüllt man hinterrücks ihn an, dass er nicht verstehen könne, was das Problem sei, aber er solle gefälligst mal verstehen, was das Problem sei, und sich dementsprechend ändern, die Sau.
Der weiße Mann denkt sodann: Hä, jetzt bin ich verwirrt da gibt’s für mich keinen Ausweg, aber ich wurde gerade als Rassist und Sexist bezeichnet, da hab ich doch nun Grund beleidigt zu sein. Ende der Kommunikation. Erreicht? Nichts, außer: Der weiße Mann denkt, dass Feministinnen einen an der Klatsche haben.
was DrNI schreibt, ist genau die andere seite der medaille – und es geht ständig hin und her. es ist ermüdend. und eine sackgasse. für mich. gedanklich. irgendwie muss doch die ganze thematik doch anders zu handhaben sein. nicht nur schwarz/weiß, opfer/täter usw. den eigenen schatten im anderen bekämpfen. es ist schade sonst. zusammen wäre einiges zu besprechen und zu verbessern.